Di 28. Mai 2024
20:30

We Remember Re_De – A Tribute to Renald Deppe

Christoph Cech 'Groovetapeten mit Klangjausn'
In Rhythmusstrukturen umgesetzte Tapetenentwürfe von Maler- und Anstreicherlehrlingen – Verfremdete Audioaufnahmen aus der Klangjausn
Christoph Cech, Simon Raab: synthesizers, Te-En Chen, Michael Mikolasek: electronics, Andi Lettner: drums, CAP MA Student:innen, Elena Arbonies Jauregui: clarinets, Angelo Beltrame, Selina Pilz: viola, Tami Daniel Rueda Blanco: conduction

Siegmar Brecher & Vicky Pfeil
Lisa Hofmaninger Solo & Duo w/ Helene Glüxam
Markus Kupferblum spielt Wagner auf der 1/8 Geige und liest ein Manifest
Manu Mayr Solo Vertonung einer Renald-Deppe-Partitur
Martin Ptak & Martin Eberle
Katharina Roth & Lizard Ensemble

Wir starten ca. 1/2 h vor Konzertbeginn den Live-Stream (Real-Time, nach Konzertende nicht mehr abrufbar!). Durch Klicken auf "Zum Livestream" öffnet sich ein Fenster, wo Sie kostenlos und ohne irgendeine Registrierung das Konzert miterleben können. Wir ersuchen Sie aber, dieses Projekt über "Pay as you wish" zu unterstützen. Vielen Dank & Willkommen im realen & virtuellen Club!

An diesem Tage jährt sich der Tod unseres Freundes Renald Deppe zum ersten Mal. Renald hinterließ vieles und viele fühlen sich etwas verlassen. Es gab im November 2023 ein "Tribute to Renald Deppe", an dem weit nicht alle teilnehmen konnten, die auch einen künstlerischen Beitrag leisten wollten. Dieser Abend ist eine weitere Möglichkeit, dem Universalisten Re_De Tribute zu zollen. Herzlich Willkommen! CH

Ein guter Wanderer lässt keine Spur zurück. (Laotse)
Eine gute Spur lässt keinen Wanderer zurück. (Renald Deppe)

Im Januar 2017 schrieb Samir H. Köck in "Die Presse": „Wien ist ein einziger Rand“: Wo Künstler noch scheitern dürfen

Die von Renald Deppe initiierte „Strenge Kammer“ im Wiener Jazzlokal Porgy & Bess fördert die Abenteuerlust der Musiker und sensibilisiert die Hörer.

Veröffentlichungswütig im klassischen Sinne ist er nicht gerade. Die lange Karriere des Renald Deppe hat bislang exakt null Tonträger abgeworfen. Wie es das geben kann? „Für mich ist Musik etwas, was sich der Fixierung entzieht. Aus Prinzip mache ich keine CDs. Nur einmal war ich versucht. Es war ein Kinderbuch von Elfriede Gerstl, das ich vertonen wollte.“

All die Jahre hat Deppe, ein aus Bochum gebürtiger Klarinettist und Saxofonist, lieber Locations initiiert als Platten aufgenommen. Er war 1993 Mitbegründer des Jazzclubs Porgy & Bess und machte über die Jahre auch als Kurator viel von sich reden. Seit sechs Jahren leitet er die sogenannte Strenge Kammer im Porgy & Bess, ein Laboratorium für den Nachwuchs.

„Hier darf man gern auch scheitern“, sagt Deppe mit leuchtenden Augen. „Es ist der einzige Ort in der Stadt, wo junge Musiker unter professionellen Bedingungen drei Abende hintereinander spielen können.“ Im großen Saal des auch international gerühmten Jazzclubs in der Riemergasse wäre das wegen des Kostendrucks nicht möglich. Im kleinen, im Eingangsbereich situierten Raum schon. Der Besucher zahlt, was ihm möglich ist oder ihm richtig erscheint. Das Geld geht dann zu 100 Prozent an die Künstler.

„Wir versuchen, das System der Selbstausbeutung ein wenig zu korrigieren. Was sich an der Kassa abspielt, ist ein Spiegel der Gesellschaft“, sagt Deppe. „Es gibt mittlerweile sehr viel ältere Leute, oft Akademiker, die wenig Geld haben. Ein Phänomen ist auch, dass viele weniger betuchte Touristen aus Italien und aus dem Osten in die Strenge Kammer kommen.“

Gern erinnert sich Deppe daran, was ihn in den Siebzigerjahren selbst nach Wien gelockt hat. „Es war der Klang von Alfred Prinz, dem damaligen Soloklarinettisten der Wiener Philharmoniker, der hat mich genauso fasziniert wie der Sound von Jazzer Jimmy Giuffre“, erzählt er. Sein erstes Zimmer in der Stadt befand sich kitschigerweise in einem Jagdschloss der Kaiserin Maria Theresia. Später bezog er ein Zimmer bei einer Philharmonikerwitwe im ersten Bezirk. „Die hat fast ein bisserl zu viel auf mich geschaut.“ Heute zählt es zu seinen Glücksmomenten, den künstlerischen Fortgang junger Menschen zu fördern und zu beobachten: „Es ist ganz wichtig, dass man sich am Erfolg der anderen erfreuen kann. Das hab ich auch erst lernen müssen.“

Im eigenen künstlerischen Leben bewegte er sich zwischen Jazz, Klassik und Neuer Musik. Der belastete Terminus „Innovation“ schwebt wie ein Halo über Deppes Haupt. Kann es so etwas überhaupt noch geben? Die provokante Frage macht den gemütlich Aussehenden lebhaft: „Das große Geheimnis sind ja nicht die zwölf Töne, mit denen man es zu tun hat, sondern wie und wann ich von einem Ton zum anderen wechsle. Da gibt es Tausende von Möglichkeiten in der Phrasierung, in der Artikulation, im Sound, im Material.“ Im Jazz sind viele alte Musiker aktiv, die von ihrer juvenilen Virtuosität längst schon ablassen mussten.

„Naturbedingte Reduktion kann magische Ergebnisse erzielen“, so Deppe. „Lee Konitz ist das beste Beispiel. So was ist nur in der Musik möglich. Auch der alte Horowitz ist für mich berührender als der junge Virtuose.“

Welche andere Form von Magie entwickelt sich in der Strengen Kammer? „Als Besucher in diesem intimen Raum kann ich ein Naheverhältnis zum Künstler entwickeln“, sagt er. „Ganz abgesehen von ästhetischen Befindlichkeiten ist so ein Konzert nämlich immer auch eine Übung in Toleranz. Es lässt sich nicht schnell wegzappen. Da muss man durch. Dabei gibt es Scheitern, Korrektur und zuweilen Magie. Für die, die öfter kommen, ist die Strenge Kammer eine Schule der Wahrnehmung.“

Deppe, ein treuer Freund des Randständigen über die Stadt, in der er hängen geblieben ist: „Wien ist ein einziger Rand. Hier konnte man in den Siebzigerjahren etwas verändern und kann es immer noch. Es scheint, als käme die Globalisierung vor den Toren Wiens zum Stehen. Das ist gut so.“

Zur Person
Musiker und Kurator. Renald Deppe wurde 1955 in Bochum geboren und ist Saxofonist und Klarinettist. Er war 1993 Mitbegründer des Jazzclubs Porgy & Bess und machte über die Jahre auch als Kurator viel von sich reden. Seit sechs Jahren leitet er die sogenannte Strenge Kammer im Porgy & Bess, ein Laboratorium für den Nachwuchs – dem, wie er betont, „einzigen Ort, wo junge Musiker unter professionellen Bedingungen drei Abende hintereinander spielen können“. Dabei zahlen die Besucher, was sie können – oder eben wollen. ("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.01.2017)